Meldestelle für digitale Barrieren

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Ein Interview mit dem Leiter der Meldestelle für digitale Barrieren Herr Dr. Christian Radek

Foto des MeldestellenteamsDie Meldestelle für digitale Barrieren wurde im Rahmen des „Aktionsbündnis barrierefreies Internet“ ins Leben gerufen und im Projekt „Digital informiert – im Job integriert“ weiter betrieben. „Digital informiert – im Job integriert“ ist ein Projekt, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird. Die Projektpartner sind die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE), das Forschungsinstitut Technologie und Behinderung, der Sozialverband VdK Deutschland sowie beratend der Lehrstuhl für Rehabilitationstechnologie der TU Dortmund. Herr Dr. Christian Radek ist der Leiter der Meldestelle für digitale Barrieren und berichtet in unserem aktuellen Interview über die alltägliche Arbeit zusammen mit Frau Fischer-Schlichting in der Meldestelle für digitale Barrieren.

Das Interview

Herr Dr. Radek, was sind digitale Barrieren eigentlich?

Wenn Menschen in der digitalen beziehungsweise elektronischen Welt behindert werden, dann sind dies digitale Barrieren. Zur digitalen Welt zählen zum Beispiel das Internet, Computer und Automaten, wie beispielsweise Geld- oder Fahrkartenautomaten. Digitale Barrieren behindern im täglichen Leben und erschweren damit Abläufe. Sie verhindern, dass Menschen mit Behinderungen oder z.B. altersbedingten Einschränkungen an digitalen Angeboten teilhaben können. Für die Teilhabe am Berufsleben gilt dies im Besonderen, beispielsweise in der Ausbildung, bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, bezogen auf die Ausstattung der Arbeitsstelle oder auch bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Auch der Umgang mit Finanzen, zum Beispiel bei Lohn oder Gehalt und dem Internetbanking, gehört zu den Bereichen, wo digitale Barrieren bestehen können.

Wenn Menschen auf solche Barrieren stoßen, melden sie diese bei Ihnen. Wie funktioniert das eigentlich genau?

Die Barrieremeldung kann per Telefon, Fax oder E-Mail erfolgen. Ebenso kann ein extra eingerichtetes Meldeformular auf unserer Webseite genutzt werden. Neben der Angabe, wo die Barriere zu finden ist, benötigen wir eine kurze Beschreibung des Sachverhalts und welche Hilfsmittel eventuell vom Nutzer verwendet wurden. Die Barriere kann übrigens auch anonym gemeldet werden. Wenn die Meldung dann bei uns eintrifft, wird sie von meiner Kollegin Frau Fischer-Schlichting oder mir überprüft. Dann wird der Anbieter angeschrieben und gebeten, die Barriere zu beseitigen. Wenn das Verfahren beendet ist, wird der Melder über den Ausgang informiert sofern er seine Kontaktdaten während der Meldung angegeben hat.

Ihre Kollegin oder Sie überprüfen die Meldung? Glauben Sie den Meldern denn etwa nicht?

Nein, das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Wir nehmen die Meldung selbstverständlich ernst, aber wir überprüfen, ob es sich bei der Barriere unter Umständen um eine Barriere handelt, die sich aus den individuellen Einstellungen beim Melder beziehungsweise aus dem individuellen Zusammenspiel der Hilfsmittel ergibt. In diesem Fall informieren wir den Melder, wie er selber die Barriere beseitigen kann. Handelt es sich um eine anbieterseitige Barriere, kritisieren wir nicht einfach, sondern geben dem Anbieter praktische Ratschläge, wie die Barriere beseitigt werden kann.

Was für Meldungen gehen bei Ihnen denn so ein?

Das ist sehr unterschiedlich und deshalb schwer zu sagen. Trotzdem kann man häufige Barrieren identifizieren. Besonders problematisch sind sogenannte grafische CAPTCHAs bei Sicherheitsabfragen. Das sind diese absichtlich schwer lesbaren Bilder, bei denen man ein Wort, eine Ziffer oder eine Zeichenfolge erkennen und eintippen muss. So etwas schließt sehbehinderte Menschen aus, da sie die Zeichen nicht sehen können. Selbst ohne Sehbehinderung sind diese Ziffern ja bereits schwer erkennbar. Dann gibt es die fehlenden Alternativtexte. Alternativtexte stellen eine schriftliche Alternative zum Beispiel für Bilder dar. Kann das Bild von einem blinden Nutzer nicht gesehen werden, enthält der Alternativtext eine Beschreibung des Bildes, die der Blinde Nutzer sich mit einem Hilfsmittel vorlesen lassen kann. Auch gehörlose Menschen sind betroffen, wenn es um Videos ohne Untertitel oder Audiodateien geht. Schlussendlich muss eine Webseite gleichermaßen sowohl nur mit der Maus als auch nur mit der Tastatur bedienbar sein, denn nicht jeder Mensch kann eine Maus oder eine Tastatur bedienen. Hierzu gehen ebenfalls Meldungen ein.

Werden alle Meldungen bearbeitet?

Selbstverständlich werden alle Meldungen bearbeitet, aber nicht alle Meldungen enthalten Barrieren. Wenn eine Webseite zum Beispiel nicht mehr aktuell ist, dann wird das von demjenigen, der sich informieren will, zwar als Barriere empfunden, ist aber keine im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes von 2002. Dort heißt es in §4, dass Barrierefreiheit bei Angeboten in allen Bereichen dann vorliegt, wenn behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe Zugang zu diesen haben und diese nutzen können. Zur Bearbeitung einer Meldung gehört auch, dass wir grundsätzlich jedem eine Rückmeldung geben, der uns eine Meldung zukommen lässt.

Wie reagieren denn eigentlich die Anbieter auf Ihre Kritik?

Das ist erwartungsgemäß sehr unterschiedlich. Einige Anbieter sind sich der Problematik bewusst und benötigen Unterstützung. In diesen Fällen bieten wir als Meldestelle kostenlose Beratung an. Andere Anbieter versprechen, dass sich etwas ändern wird. Da so etwas aber mit Kosten verbunden ist, ist in diesen Fällen nur mit einer langfristigen Verbesserung zu rechnen. Neben den wenigen Organisationen, die sich überhaupt nicht melden, gibt es noch diejenigen, die darauf beharren, dass deren Kunden bestimmte Features erwarten, auch wenn diese nicht barrierefrei sind.

Und was machen Sie, wenn Anbieter sich weigern, gemeldete Barrieren zu beseitigen?

Das ist unterschiedlich. Behörden, dazu zählen die Ministerien aber auch kommunale Einrichtungen, sind durch die einschlägigen Gesetze und Vorschriften zur Barrierefreiheit verpflichtet. Wenn sich ein privater Anbieter weigert, dann muss man das leider so hinnehmen.

Welche Gründe werden in solchen Fällen meist angeführt?

Ein Argument sind sicherlich die Kosten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Überarbeitung eines existierenden Angebots Geld kostet. Man darf aber nicht unterschlagen, dass die barrierefreie Gestaltung einer neuen Webseite nicht teurer ist als die Gestaltung einer nicht-barrierefreien Seite. Ein anderes Argument bei Farbkontrasten betrifft das Erscheinungsbild des Unternehmens, das man nicht so ohne weiteres ändern möchte oder kann. Wie bereits erwähnt, wird auch angeführt, dass Kunden auf bestimmte nicht barrierefreie Elemente Wert legen. Im konkreten Fall ging es um einen Newsticker, also einer Laufschrift, in der Links enthalten waren und die zwar mit der Maus bedienbar war, aber nicht mit der Tastatur.

Gibt es ein zur Meldestelle vergleichbares Angebot in Deutschland?

Foto des Leiters der Meldestelle während des InterviewsSoweit ich weiß gibt es in Deutschland kein vergleichbares Angebot. In Großbritannien gibt es unter dem Namen „Fix the web“, also auf Deutsch „Repariere das Internet“ ein ähnliches Angebot. Auch dort geht es um den Abbau von digitalen Barrieren im Internet. Allerdings ist die Organisationsstruktur dort anders und es fehlt auch an den großen Verbänden und Partnern die in Deutschland hinter der Meldestelle stehen.

In welchen Punkten wird sich die Meldestelle in Zukunft noch verändern?

Grundsätzlich wird es zwei Einflüsse auf die Meldestelle geben. Auf der einen Seite der technologische Fortschritt, also neue Techniken, die auf Webseiten eingesetzt werden und die erfahrungsgemäß zu weiteren Barrieren führen. Man denke in diesem Zusammenhang einfach mal an Anwendungen oder Apps für Mobiltelefone. Auf der anderen Seite die Gesetzgebung und der natürliche Wandel internationaler Normen. Insbesondere die „Barrierefreie Informationstechnik Verordnung 2.0“ kurz BITV 2.0, die seit September letzten Jahres in Kraft ist, liefert hierfür die gesetzliche Grundlage. Es gibt also weiterhin viel zu tun, um den Abbau von digitalen Barrieren zu erreichen.

Informationen zum Interview

Herr Dr. Radek, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Herr Christian Menkhoff vom Sozialverband VdK Deutschland

Melden Sie digitale Barrieren unter der Telefonnummer 0211 31006-38, der Faxnummer 0211 31006-48, per E-Mail unter kontakt@barrieren-melden.de oder über das Meldeformular auf der Webseite www.meldestelle.di-ji.de/r/melden